Erweiterung des Verteidigungsverhalten § 3/III Nr. 2 HundeG LSA auf ungewollte Angriffe VG MD vom 23.01.2020 - 1 B 272/19
In vielen Bescheiden zur Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes in Sachsen-Anhalt ist zu lesen, dass ein Verteidigungsverhalten eines Hundes gegenüber einem ungewollten Angriff eines Menschen nicht unter die Ausnahmeregelung des § 3/III Nr. 2 fällt. Trotz artgerechtem Abwehr- und Verteidigungsverhalten wird also die Gefährlichkeit festgestellt. Die Verwaltngsbhörde brufts ich hierbei auf die VwV_HundeG LSA.
Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat dieser Einschränkung der Anwendbarkeit des Gesetzes in obiger Entscheidung vom 23.01.2020 widersprochen:
"Mit der Bestimmung in § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HundeG LSA hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass es auch Verteidigungssituationen geben kann, in denen der Biss eines Hundes nachvollziehbar erscheint und dementsprechend in der Folge des Bisses die Prognose nicht gerechtfertigt ist, dass der Hund aufgrund von Verhaltensstörungen oder ähnlichen Gründen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Entsprechend Ziffer 3.3.1.2 UAbs. 4 der vom Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt erlassenen Verwaltungsvorschrift zum Hundegesetz (VwV-HundeG LSA; MBl. LSA 2016, S. 210, ber. 246) ist unter einem Angriff daher jede Bedrohung schützenswerter Interessen des Hundes durch Menschen oder Tiere zu verstehen (so auch: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 03. Juli 2018 – 3 M 252/18 –, juris). Diese Definition wird durch die VwV-HundeG LSA in Bezug auf Menschen jedoch insoweit eingeschränkt, dass bei einer Bedrohung durch Menschen dies nicht gilt, wenn die Bedrohung ungewollt ist. Wenn auch im Hinblick auf gegen Menschen gerichtete Bisse der Begriff des Angriffes anders verstanden werden muss als bei Beißvorfällen zwischen zwei Hunden (bzw. einem Hund und einem anderen Tier), folgt das Gericht dieser Einschränkung nicht. Die Eingrenzung auf gewollte Bedrohungen durch Menschen würde nach sich ziehen, dass ein Angriff nur dann vorliegt, wenn ein Mensch auf einen Hund mit der bewussten Zielsetzung einwirkt, für diesen Hund eine Bedrohungssituation zu schaffen. Diese Auslegung lässt sich mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinen."
Allerdings wird der Verteidigungsexcess des Hundes wiederum eingeschränkt, soweit das Verhalten des Mesnchen als szozialtypisch einzuschätzen ist.
" Ein Angriff i.S.d. § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HundeG LSA liegt demnach bei einer Bedrohung schützenswerter Interessen des Hundes durch Menschen oder Tiere vor, aufgrund derer der Biss des Hundes als eindeutiges artgerechtes Verteidigungs- oder Abwehrverhalten zu werten ist. Unabhängig von tierpsychologischen Gesichtspunkten ist der Biss jedoch schon dann nicht als eindeutig artgerechtes Verteidigungs- oder Abwehrverhalten zu werten, wenn die Bedrohung auf einem Verhalten eines Menschen beruht, das als sozialtypisch einzustufen ist und mit dem der Hundehalter im gesellschaftlichen Miteinander rechnen musste."
Fassl 22.03.2021